Vogelschutz in der Agrarlandschaft

Vogelschutz in der Agrarlandschaft

Baum oder nicht Baum, Hecke oder doch lieber weite Reihe? Die Bedürfnisse heimischer Singvögel waren ein zentrales Thema des fünften Feldtages des FÖL-Modellprojektes „Naturschutzberatung Brandenburg“ im September auf dem landwirtschaftlichen Betrieb „Natur Konkret Guido Leutenegger GmbH“ in Ribbeckshorst.

Erworben wurde der nordwestlich von Berlin gelegene Landwirtschaftsbetrieb 2018 vom Schweizer Guido Leutenegger, der den Hof innerhalb von zwei Jahren auf Bio-Produktion umgestellt hat. 450 Angusrinder werden hier von Leutenegger, Wiebke Fuchs und Mitarbeitenden aufgezogen, gemästet und selbst vermarktet. Das Areal umfasst 620 Hektar, davon sind 460 Hektar überwiegend extensives Grünland. „Die Rinder ziehen wir ohne zugekaufte Futtermittel auf“, erklärte die Landwirtin. Auf dem Grünland, mitten im Rhin-Havelluch gelegen, wird alles an Nahrung angebaut, was die Rinder benötigen.

Das EU-Vogelschutzgebiet ist weit über seine Grenzen hinaus bekannt für ein alljährliches Naturschauspiel: Neben Enten, Gänsen und Regenpfeifern finden sich zehntausende Kraniche an ihren Rastplätzen ein. Für den ehemaligen Lehrer und Hobbyornithologen Leutenegger war es naheliegend, den landwirtschaftlichen Betrieb in „Kranichhof“ umzutaufen. Anstatt die Vögel als Schädling zu betrachten, vergleicht er das alljährliche Naturphänomen mit dem Schneefall in der Schweiz. „Die Kraniche müssen als ein wirtschaftlicher Segen anerkannt werden, da sie viele Touristen anlocken“, so Leutenegger. Vogelschutzmaßnahmen gehören somit für ihn selbstverständlich zu einer wertvollen und wichtigen Aufgabe.

An seiner Seite weiß er den Naturschutzberater und Ornithologen Dipl.-Ing. Ingo Lehmann (Naturschutzgutachten Merops, Paulinenaue). Im Rahmen des FÖL-Modellprojekts „Naturschutzberatung Brandenburg“ führte Lehmann 2018 zunächst eine erste Brutvogelkartierung durch. Im Jahr 2022 erfasste der Experte die Verbreitung und Anzahl von Vogelarten auf den Betriebsflächen erneut. Bei einer solchen Brutvogelkartierung wird der Vogelbestand in der Brutsaison durch Verhören und Beobachtung festgestellt. Mithilfe dieser quantitativen Erhebung von Artenvorkommen können Rückschlüsse zur Qualität von Biotopen und von Lebensräumen gezogen werden.

„Eine hohe Anzahl von Vogelarten impliziert also ein reiches Vorkommen von Insekten, was wiederum auf ausreichend Nahrungspflanzen durch entsprechende landwirtschaftliche Maßnahmen schließen lässt“, erklärte Lehmann auf dem Feldtag. Auf Grundlage der Kartierung von 2018 konnten Schlussfolgerungen zur Optimierung von Natur- und Vogelschutzmaßnahmen gezogen werden. „Wir haben Nisthilfen für Schleiereulen und Rauchschwalben angebracht, Totholzhaufen angelegt, unser Mahdregime angepasst und Maßnahmen wie das Anlegen von Altgrasstreifen und Ackerbrachen umgesetzt“, erläuterten Wiebke Fuchs und Guido Leutenegger.

Vor allem mehrjährige Ackerbrachen und Altgrasstreifen fördern die Artenvielfalt, Biodiversität und Erhaltung von Lebensräumen. Blühende Landschaftselemente locken effektive Bestäuber wie Falter, Wildbienen oder Schwebfliegen an. Insekten und Pflanzensamen bieten wiederum Vögeln genügend Futter, Wildtiere finden zwischen hohem Gras und Pflanzenwuchs Schutz und Rückzugsraum. Geeignete Schläge für Ackerbrachen können Waldränder, Uferbereiche, ertragsschwache oder trockene Standorte sein. Während Altgrasstreifen als jährlich wechselnde Teilbereiche (5–10 %) einer Grünlandfläche ein Jahr lang nicht gemäht werden und im Winter stehenbleiben, haben mehrjährige Ackerbrachen als Streifen oder Fläche eine möglichst lange Standzeit (bis zu 5 Jahre).

„Ich habe gehört, dass es vielleicht schon im nächsten Jahr Fördergelder für angelegte Buntbrachen geben soll“, teilte Leutenegger während des Feldtages mit. Käme dies nicht zustande, würden die insgesamt vierzehn Hektar Ackerbrachen trotzdem nicht untergepflügt. „Denn wir leben auch davon, dass wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern erklären können, dass neben unserer Fleischproduktion auch Biodiversität produziert wird.“ Abgesehen von den Brachen werden mittels Balkenmähwerk 100 Prozent der Grünlandflächen in einem faunaschonenden Verfahren geerntet.

Zusätzlich zu diesem schonenden Mähverfahren bleiben zehn Prozent der 490 Hektar Grünlandflächen als Altgrasstreifen bestehen. „Kombiniert mit den Ackerbrachen bringt uns das wirklich eine enorme Artenvielfalt“, freute sich Leutenegger über die Erfolge der eigenen nachhaltigen Landwirtschaft. Naturschutzberater Ingo Lehmann konnte mithilfe der Kartierungen eine Vielzahl an Singvögeln auf den einzelnen Schlägen des Kranichhofes nachweisen, darunter Feldlerchen, Schafstelzen, Ortolane, Neuntöter, Wachteln und Grauammern. Alle Vögel profitieren vom reichhaltigen Nahrungsangebot, benötigen aber teils unterschiedliche Bedingungen.

Für die Feldlerche eigne sich vor allem die „Weite Reihe“ im Ackerbau. Dazu wird jede zweite Saatrille freigelassen, die Vögel können so besser auf Nahrungssuche gehen. Gezielt angelegte Fehlstellen auf Ackerflächen von mindestens zehn Quadratmetern, sogenannte Lerchenfenster, werden von den Singvögeln als Lande- und Nahrungsflächen angenommen. Um Schafstelzen im Ackerbereich zu fördern, empfiehlt Lehmann Erbsenfenster. Der Ortolan brütet bevorzugt an den Rändern von Ackerschlägen, benötigt aber einen großen Baum als Singwarte und Nahrungsquelle. Wintergetreide, Roggen oder Hafer in weiter Reihe im Randbereich fördern seine Ansiedlung.

Neuntöter sind nicht direkt von ackerbaulichen Maßnahmen betroffen, da die Vögel Hecken und Büsche präferieren. Dennoch sind die Tiere für die Futtersuche auf die Ackerflächen angewiesen. Wie für alle anderen Vogelarten gilt hier: je vielfältiger und strukturierter die Landwirtschaft, desto reicher das Futtervorkommen, umso höher die Erfolgsaussichten auf Ansiedlung der Vögel.

https://www.bio-berlin-brandenburg.de
https://www.naturschutzberatung-brandenburg.de

Bildmaterial finden Sie zur kostenfreien Verfügung (als Quelle ist bitte „FÖL e.V. / Jan Lieske“ zu nennen) unter:

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