„Wir sind echte Technikfreaks“ 

„Wir sind echte Technikfreaks“ 

Lücken schließen – Mehr regionales Biogemüse 

Trotz verstärkter Nachfrage durch den Naturkost- und Lebensmitteleinzelhandel sowie die Außer-Haus-Verpflegung ist der regionale Bio-Gemüseanbau von bislang geringer Bedeutung. Was auf märkischem Boden im Freiland wächst, passt flächenmäßig immer noch locker aufs hauptstädtische Tempelhofer Feld. Ebenfalls viel Luft nach oben ist beim Bio-Kartoffelanbau. Schon ein einzelnes Cateringunternehmen, das täglich 40.000 Essen zubereitet, bräuchte rund 10 Prozent der gesamten Bio-Kartoffelproduktion der Region. In erster Linie betreiben die heimischen Erzeugerbetriebe Direktvermarktung und beliefern – meist über den Naturkost-Großhandel – selbstständige Bioläden und Bio-Supermärkte. Die Vermarktung an den Lebensmitteleinzelhandel und Großküchen spielt hingegen kaum eine Rolle.
Das Projekt „Regionales Bio-Gemüse aus Brandenburg“ will die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schließen. 2017 schlossen sich auf Initiative der FÖL und der HNE Eberswalde im Rahmen der Förderrichtlinie der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) Erzeugerbetriebe und Vertreter aus Handel und Verarbeitung zusammen und gründeten eine sogenannte Operationelle Gruppe (OG). Ziel dieser OG ist der Aufbau eines dauerhaften und leistungsstarken Wertschöpfungsnetzwerks in der Region. Die Anforderungen jedes Mitglieds im Blick, werden neue Austausch- und Beratungsformate geschaffen und Vernetzung und Kooperationen ausgebaut. Auch wird Hilfestellung gegeben für den Einstieg in die Erzeugung sowie den Auf- und Ausbau von Produktions-, Lager- und Verarbeitungsprozessen.

Als 2015 die Pachtverträge der familieneigenen Ackerflächen auslaufen, wagen die zwei Junglandwirte Daniel Götze und Daniel Riesener den Schritt in die Selbstständigkeit. Auf 11 Hektar Fläche bauen die beiden Namensvettern und Freunde in der Nordwestuckermark einen Gemüsebaubetrieb mit hohem Mechanisierungsgrad auf. Ihr Gemüse liefern sie an den Berliner Biogroßhandel.

Es gibt Tage wie diese, da steckt das Betriebskonzept von Daniel Riesener und Daniel Götze wortwörtlich fest. Schlamm, der natürliche Feind von landwirtschaftlichen Anbautechniken. Nach tagelangem Regen sind die Gemüseflächen der beiden jungen Landwirte in der Nordwestuckermark  aufgeweicht. „Da hilft dir auch der beste Klemmbandroder nichts“, seufzt Riesener. Eigentlich sind Niederschläge nach den trockenen Sommern der vergangenen zwei Jahre mehr als erwünscht. Wären da nicht die 80 Kisten Pastinaken, die heute noch zum Großhändler nach Berlin sollen. Daniel und Daniel tun, was sie normalerweise zu vermeiden suchen: Sie ernten händisch.

2015 haben die beiden den Gemüsebaubetrieb „Bio-Alpakaland“ in der Nähe von Prenzlau gegründet. Ursprünglich planten Riesener und Götze neben dem Gemüseanbau noch eine Alpakazucht, stellten aber schnell fest, dass das Gemüse erstmal genug Arbeit macht. Der Name blieb, die kleine Alpakaherde auch, weil Tiere zum landwirtschaftlichen Leben eben dazu gehören, so die Junglandwirte. „Außerdem geben sie dem Betrieb Ruhe und Entspannung“, erklärt Riesener. Die könnten die beiden jungen Gründer manchmal gut gebrauchen. Denn sie haben sich viel vorgenommen.

Ohne Bewässerungstechnik geht auf Brandenburger Böden nichts
Auf 11 Hektaren bauen Daniel und Daniel Feldgemüse an

11 Hektar Ackerfläche und 3,5 Hektar Grünland bewirtschaften die Junglandwirte an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Spezialisiert sind sie auf Wurzelgemüse. Möhren, Pastinaken, rote Beete, Sellerie und Wurzelpetersilie sind ihre mengenmäßig stärksten Kulturen. Sie bauen aber auch Buschbohnen, Kartoffeln und Zwiebeln an und experimentieren mit Artischocken und Rhabarber. Ihr Großhändler geht mit. „Die Zusammenarbeit mit dem Großhandel ist auch Beziehungsaufbau“, erklärt der 32-jährige Riesener, „Zuverlässigkeit und eine gute Kommunikation sind wichtig, dann wächst man auch gemeinsam.“ Das Betriebskonzept richten die beiden von Anfang an auf die Produktion für den Biogroßhandel aus. „Direktvermarktung ist nicht unser Ding“, so der 31-jährige Götze. Mit der Abnahmezusage von Dennree in der Tasche investieren die beiden Junglandwirte. Im Laufe des Jahres 2015 kaufen sie Technik zur Aufbereitung des Gemüses, Anbaugeräte und Traktoren. Sie bauen zwei Kühlzellen in die bestehende Scheune, beschäftigen sich mit Fruchtfolgen und Anbauplänen, bohren einen leistungsstarken Brunnen. Im Frühjahr 2016 geht es los. „Wir machen alles außer Salat, Gewächshauskulturen und Kohl“, sagt Götze. Mittlerweile haben sie sich von anfangs 30 auf 16 Kulturen reduziert. Man verliere sonst den Überblick.

Besonders gute Rückmeldungen bekommen die beiden für ihre Rote Beete. 1,75 Tonnen, 400 Kisten, der roten Knolle liefern die beiden pro Woche nach Berlin. In Spitzenzeiten verlassen wöchentlich bis zu 14,5 Tonnen Gemüse den Hof Richtung Hauptstadt. „Auf unsere Qualität und unsere Lieferkonstanz bin ich stolz“, sagt Daniel Götze, „und auf unseren Maschinenpark.“

Fleiß, Mut und Technik, das sind wohl die Grundkomponenten für das Gelingen von Bio-Alpakaland. „Wir versuchen möglichst alles mit der Maschine zu machen“, erklären die Jungbauern, auch mit dem Ziel, ihre wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 100 Stunden pro Kopf perspektivisch zu reduzieren. „Wir sind echte Technikfreaks. Mittlerweile rufen uns andere an, weil wir einen so hohen Mechanisierungsgrad haben.“ Alles schaffen die Junglandwirte jedoch nicht maschinell. In der Saison werden die zwei deshalb von sieben Saisonarbeitern unterstützt.
Fachlicher Austausch und Beratung seien dabei zur Weiterentwicklung des Betriebs unschätzbar wertvoll. So wurden etwa beim Möhrenanbau trotz guter Technik die Saatreihen nicht gerade, weil die Sämaschine auf den welligen Reliefböden immer leicht ausscherte. Ein sensorgesteuerter Verschieberahmen könnte das Problem lösen, aber der ist teuer. Im Rahmen des EIP-Gemüseprojektes trafen die Junglandwirte auf Reinhard Bade, der im Projekt als Mentor tätig ist. Der niedersächsische Landwirt im Ruhestand hat selbst 30 Jahre Biomöhren angebaut und ärgerte sich im hügeligen Weserbergland mit ähnlichen Problemen. Er verhinderte das Ausscheren des Anbaugeräts mit eigens konstruierten Stützrädern, die das Anbaugerät in Spur halten. Eine im Prinzip einfache und günstige Lösung mit viel Effekt, die Riesener und Götze in der Praxis aber extrem weiterbringt.

Eine institutionalisierte Fachberatung fehlt nach Ansicht der beiden Junglandwirte in Brandenburg, besonders im Gemüsebau und der Hühnerhaltung. Hier schließe das EIP-Gemüseprojekt eine wichtige Beratungslücke. Denn viele Informationen seien bisher generell nur schwer zugänglich, die Fördermöglichkeiten undurchsichtig. Es gibt viele Themen, bei denen sich die beiden Gemüseerzeuger mehr Unterstützung von der Politik und den Behörden wünschen. Bürokratieabbau und die Vergabepolitik der BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH) sind nur zwei Beispiele. „Auch eine Junglandwirteförderung, wie es sie in Sachsen-Anhalt gibt, hätte uns am Anfang sehr geholfen“, so Riesener.